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domingo, 6 de mayo de 2012

Werner Marti le envió al Sr. Nelson Barreto su reportaje sobre los festejos de NUEVA HELVECIA y por gentileza del Sr. Barreto lo compartimos en este Blog.

SCHWEIZ 15 Samstag, 5. Mai 2012   Nr.104 Neuö Zürcör Zäitung
Wo Schweizer Traditionen hochgehalten werden: In der uruguayischen Stadt Nueva Helvecia begehen die Nachfahren helvetischer Einwanderer das Fest zum 150-Jahr-Jubiläum. BILDER MATILDE CAMPODONICO /APFÜR NZZ
Uruguays Schweizer ohne Schweizer Pass
Die Kolonie Nueva Helvecia gilt in Uruguay als Vorbild. Auch 150 Jahre nach der Einwanderung werden hier die Schweizer Traditionen hochgehalten.
Werner Marti, Nueva Helvecia
Mitten in Uruguay fühlt man sich zurzeit unweigerlich in eine Schweizer Ortschaft am 1. August versetzt. Im Städt-
chen NuevaHelvecia sind Privathäuser und Geschäfte mit der Schweizer Fahne und den Kantonsfahnen geschmückt. Auch an vielen Autos flattern Fahnen aus der Schweiz. Die Schweizerkolonie, die 120 Kilometer nordwestlich von Montevideo und zwei Reisestunden von Buenos Aires entfernt liegt, feierte Ende April während neun Tagen ihr 150-jähriges Bestehen.
Die Fähigsten haben überlebt
Dasoffizielle Gründungsdatum von NuevaHelvecia ist der 25. April 1862, doch die ersten Schweizer Einwanderer kamen bereits im Jahr zuvor an. Sie waren wegen einer schweren wirtschaftlichen Krise zur Auswanderung gezwungen. Die Mechanisierung im Textilsektor und billige Getreideimporte als Folge des Baus der Eisenbahnen hatten zu verbreiteter Arbeitslosigkeit geführt. Die ersten Jahreinder neuen Heimat
waren schwierig.Viele Einwanderer waren Handwerker oder ehemalige Söldner und mussten Viehzucht und Ackerbau erst erlernen.
Die bereits in der Region ansässige spanischstämmige Bevölkerung war ihnen feindlich gesinnt. Zudem wurde die Region ausgerechnet in den Gründerjahren von einer schweren Dürreperiode heimgesucht, und die Einwanderer verloren ihren Kreditgeber,die Basler
Bank Sigrist und Fender,der Konkurs machte.Nicht wenige zogen weiter oder kehrten in die Schweiz zurück. Die Nachkommen glauben heute,dass diese Umstände wie ein Filter gewirkt hätten. Die Fähigsten hätten überlebt. Deshalb habe die Kolonie später prosperiert.
DasBesondereandieser Schweizerkolonie sind, wie Belkis Tourn, die Direktorin des Ortsmuseums,ausführt, ihreGrösse und die breite Vertretung aller Schweizer Regionen. DasStädtchen NuevaHelvecia zählt zusammen mit der zugehörigen Landschaft rund
Nueva Helvecia feiert mit viel Präsenz aus der alten Heimat sein 150-jähriges Bestehen
12 000 Einwohner; davon haben etwa die Hälfte Schweizer Vorfahren. Ausserdem sind fast alle Kantone vertreten. Ein Dokument von 1864 verzeichnet einzig aus Uri, Schwyz, Nidwalden, Glarus und Genf keine Einwanderer.
Die Verbundenheit zur alten Heimat wirdvon den Einwohnern von Nueva Helvecia noch immer intensiv gepflegt. Viele Familien haben neben der Haustürdie Wappen ihrer Herkunftskantone angebracht. Die Restaurants servieren Schweizer Küche.Anfestlichen Anlässen werden die traditionellen Schweizer Trachten getragen. Der 1. August wird jeweils mit vier grossen Festen über einen Zeitraum von drei Wochen hinweg gefeiert. Und die neugeschaffene Gemeindefahne –NuevaHelvecia ist seit 2010 ein Municipio mit einer Stadtpräsidentin –zeigt das Schweizer Wappen auf blau-weissem Grund. DasSujet wurde von den Einwohnern per Volksabstimmung erkoren.
«Im Herzen fühlen wir uns immer noch als Schweizer,auch wenn wir keinen Schweizer Pass mehr besitzen», meint Nelson Barreto Bratschi, der Sprecher der Stadtregierung,etwas wehmütig.Erist laut Schweizer Botschafter Hans-Ruedi Bortis so etwas wie der inoffizielle Schweizer Konsul in NuevaHelvecia. Da die Vorväter es verpasst haben, sich als Schweizer zu registrieren, ist es fürdie Nachkommen nicht möglich, den rot-weissen Pass zu beantragen. Auch die Kenntnis einer Landessprache ist bei den meisten Neu-Helvetiern verloren gegangen.
Dank der tatkräftigen Unterstützung von Botschafter Bortis gelang es,aus Anlass des Festes neue Brücken in die alte Heimat zu schlagen. Es sei nicht einfach gewesen, in der Schweiz fürdas kleine,weit entfernte Uruguay Interesse zu finden, meint Bortis.Erreiste eine Woche mit der Stadtpräsidentin Mar´iadeLima durch die Schweiz, um Herkunftsorte der Einwanderer zu besuchen. Als Frucht von über einem Jahr Arbeit gelang es schliesslich, nicht weniger als zehn Delegationen aus der Schweiz nach NuevaHelvecia zu holen.
Bundeskanzlerin Corina Casanova vertrat den Bundesrat, die Zürcher Nationalrätin Kathy Riklin das Parlament. Der Kanton Tessin schickte die Regierungsräte Paolo Beltraminelli und Manuele Bertoli sowie eine Abordnung aus Lugano.Der Freiburger Staatsratspräsident Georges Godel brachte 56 Freiburger Grenadieremit ihren histori-
schen Uniformen als Attraktion fürdie Feierlichkeiten mit. Zwei weitereDelegationen kamen aus dem Tessiner Ort Quinto und dem solothurnischen Subingen. Die zwei Ortschaften wurden während der Feiern zu Schwester-Gemeinden von NuevaHelvecia. Die Schweizer Gäste finanzierten eine Reihe von Projekten in der Kolonie.
Schweizer Schützentradition
Am Festakt vom 25. April auf der Plaza von NuevaHelvecia waren neben den Delegationen aus der Schweiz auch die wichtigsten politischen Führer Uruguays präsent. Redner aus beiden Ländern würdigten die Bedeutung der Schweizerkolonie.Keiner vermochte die Anwesenden aber so zu begeistern wie der Vizepräsident der Tessiner Regierung,Paolo Beltraminelli, der ihnen mit mitreissenden Worten aus dem Herzen sprach: «26 Kantone in einer einzigen Stadt, das ist wunderbar.Vor 150 Jahren war der Kanton Tessin arm. Eure Vorfahren waren gezwungen auszuwandern. Damals hat Uruguay dem Tessin
Paraná
Montevideo Buenos
Aires ARGENTINIEN
Uruguay
URUGUAY
Nueva Helvecia
BRASILIEN
Atlantischer Ozean
NZZ INFOGRAFIK/cke. 250 Kilometer
geholfen. Heute sind zwei seiner fünf Regierungsräte gekommen, um danke zu sagen.» Umrahmt wurde der Festakt von den Freiburger Grenadieren und verschiedenen einheimischen Gruppen. Der Trachtenverein Alpenveilchen und die Kindergruppe Edelweiss tanzten zu Ländlermusik. Am Festakt wurde auch eine Sondermarkeder uruguayischen Post zum 150-jährigen Bestehen von NuevaHelvecia präsentiert.
Die Einwanderer haben nicht nur das Schweizer Brauchtum nach Uruguay gebracht, sondern sind dank ihremangestammten Fleiss und ihrer Tüchtigkeit auch zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Der 1868 mit seiner Familie aus Diemtigen im Kanton Bern
zugewanderte Juan Te ´ofilo Karlen wurde zum eigentlichen Begründer der Käserei in Uruguay.1930 wurde in NuevaHelvecia die Escuela Superior de Lecher´iagegründet, eine Molkereischule,die dann Spezialisten fürganz Südamerika ausbildete.Die Region von NuevaHelvecia produziert heute rund die Hälfte des Käses von Uruguay. Der Käse,der in Kleinbetrieben hergestellt wird, kommt gar zu 80 Prozent aus der Gegend. 2003 wurde in Nueva Helvecia das grösste Fondue der Welt mit 100Kilogramm Käse für1000 Personen zubereitet. Die Prosperitätder Schweizerkolonie hat auch auf die Umgebung ausgestrahlt. DasDepartement Colonia, in dem NuevaHelvecia liegt, gehört zu den wohlhabendsten in Uruguay.Laut Intendente Walter Zimmer,dem Präsidenten der Regionalregierung,ist der Wohlstand hier ausgeglichener verteilt als anderswo im Land, das Zusammenleben als Folge davon harmonischer. Zimmer stammt wie fast alle Intendentes von Colonia der letzten 25 Jahreaus NuevaHelvecia. Während sonst in den ländlichen Gegenden in Uruguay seit Jahren ein Trend zur Abwanderung nach Montevideo oder an die Grenze zu Brasilien feststellbar ist, bleibt auch die junge Generation in NuevaHelvecia. Auch der in NuevaHelvecia geborene Libanese Amilcar Nemer schwärmt von der Prosperitätdieses Ortes.Wir treffen ihn vor seinem Haus, an dem über dem Berner Wappen das rot-weisse libanesische Wappen mit der grünen Zeder prangt. Nemer ist zum zweiten Mal mit einer Schweizerin verheiratet und sagt, er sei auch als Libanese gut in die Gemeinschaft integriert. Hier seien die Leute fleissig,und es gebe Arbeit füralle.Alle könnten gut leben. Es gebe weder grosse Armut noch grossen Reichtum. Und die Kriminalität, die andereGegenden des Landes unsicher mache,sei hier fremd. Man brauche die Haustürnicht abzuschliessen. In NuevaHelvecia hat sich auch die Schweizer Schützentradition erhalten. Die Einwanderer brachten ihreGewehre mit und brauchten diese bald, um Banditen und verwilderte Kühe zu bekämpfen. Am 19.April 1874 gründeten sie den Schützenverein Sociedad Tiro Suizo,den ersten Sportverein des Landes überhaupt, wie die Neu-Helvetier stolz bekunden. Fast 90 Jahrespäter ging der Tiro Suizo nochmals in die
nationale Geschichte ein. Mitglieder des Vorläufers der späteren TupamarosGuerilla überfielen im Juli 1963 den Schiessstand und erbeuteten Gewehre. Diese waren aber von geringem Nutzen, wurden die Verschlüsse doch nach guter Schweizer Manier separat aufbewahrt. Bei den meisten Neu-Helvetiern sind die Kontakte zu den Verwandten in der Schweiz schon seit Generationen abgebrochen. Doch viele zeigen grosses Interesse an ihren Schweizer Wurzeln. Der 42-jährige Mechaniker und Landwirt Horacio Schwyn zeigt uns in seinem Haus neben der Primarschule mit dem vielsagenden Namen Guillermo Tell Dokumente aus der Familiengeschichte.Darunter sind auch zwei Postkarten von Schweizer Verwandten vom Anfang des letzten Jahrhunderts: eine handkolorierte Karte vom Rheinfall und eine weiteremit einer alten Aufnahme von Zürich. Schwyns Ur-Urgrossvater Alexander Schwyn ist 1964 von Beringen im Kanton Schaffhausen nach NuevaHelvecia ausgewandert. Weder er noch seine Nachkommen sind je in die Schweiz zurückgekehrt. Horacio Schwyn hofft, dass er eines Tages seine dortigen Verwandten wirdausfindig machen können. Sein grosser Wunsch ist es,eine Foto vom Stammhaus der Familie in Beringen zu finden oder gar selbst einmal dorthin zu reisen.
Vorbild für Uruguay
Zum Abschluss der neuntägigen Feierlichkeiten fand am vergangenen Sonntag in NuevaHelvecia ein grosser Umzug statt. Unter anderem defilierten rund 500Nachfahren der Schweizer Einwanderer in 21 Gruppen. Jede repräsentierte einen anderen Kanton, mit Fahne,Jahr des Eintritts in den Bund und den jeweiligen kantonalen Trachten. Bundeskanzlerin Corina Casanova zeichnete in ihrer Ansprache als Vertreterin des Bundesrates noch einmal die schwierige Lage der Einwanderer nach. Deren Erfolg in der neuen Heimat führte sie auf das Fachwissen und das Weiterleben der Schweizer Werte wie Fleiss,Respekt, Loyalitätund Verantwortungsbewusstsein zurück. Unter den Ehrengästen befand sich auch Uruguays Präsident Jos ´eMujica. In seiner Grussadresse meinte er,es wäre gut, wenn sich das uruguayische Volk NuevaHelvecia und dessen Arbeitseifer zum Vorbild nehmen würde.

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